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Diese Kurzfassung fasst die Beiträge aus dem Themenband "Epigenetik. Implikationen für die Lebens- und Geisteswissenschaften" der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht (hgg. von Jörn Walter und Anja Hümpel) zusammen. Außerdem werden Kernaussagen und Handlungsempfehlungen der IAG Gentechnologiebericht zum Thema Epigenetik vorgestellt.
Das Kapitel "Themenbereich Epigenetik: Bedeutung und Anwendungshorizonte für die Biowissenschaften" im "Dritten Gentechnologiebericht" legt ein umfassendes Monitoring zu den aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet der Epigenetik vor. Das Indikatoren-basierte Vorgehen, das in den letzten Jahren etabliert wurde, wird dabei fortgeführt. Zentrale Themen, die aufgegriffen werden sind etwa Definitionen und Bedeutung der Epigenetik, Formen epigenetischer Vererbung und ihre Bedeutung für Biomedizin und Biowissenschaften, die Epigenomforschung, Konzepte transgenerationaler epigenetischer Vererbung sowie das Themenfeld Epigenetik und Biotechnologie. Problemfelder und Indikatoren zur Epigenetik runden den Beitrag ab.
Das Kapitel von Karla Alex und Eva C. Winkler gibt einen Einblick in die vielfältigen ethischen Debatten zu Genetik und Epigenetik. Ein wichtiges Anliegen ist dabei, auf die Notwendigkeit einer kritischen Reflexion expliziter, viel öfter aber impliziter, -ismen innerhalb des Diskurses sowohl zur Epigenetik als auch zur Genetik und Genomeditierung aufmerksam zu machen. Untersucht werden zunächst die folgenden Konzepte („-ismen“), die in unterschiedlichen Diskursbereichen – Wissenschaft, Populärwissenschaft, Gesellschaft, Ethik – unterschiedlich stark ausgeprägt sind: genetischer Essentialismus und starker genetischer Determinismus, verdeckter Gendeterminismus und epigenetischer Determinismus sowie genetischer Exzeptionalismus und epigenetischer Exzeptionalismus.
Beim genetischen Essentialismus wird angenommen, dass der Genotyp den Phänotyp und das gesamte Wesen eines Menschen, seine Essenz, vollständig determiniere. Als starker genetischer Determinismus gilt die Annahme, dass ein Gen fast immer zur Ausprägung eines bestimmten Merkmals führe. Beide Positionen werden innerhalb der Wissenschaftsphilosophie und -ethik zurückgewiesen. Auch moderatere oder schwächere Formen des genetischen Determinismus, die lediglich davon ausgehen, dass ein Gen manchmal zur Ausprägung bestimmter Merkmale führe, können den Autorinnen zufolge, obgleich naturwissenschaftlich korrekt, aus ethischer Sicht problematisch werden, wenn sie um weitere Annahmen ergänzt werden. Als epigenetischen Determinismus bezeichnen sie die Annahme, dass durch Einwirkungen auf die Umweltbedingungen Personen selbst beeinflussen könnten, wann ein Gen zur Ausprägung jener bestimmten Merkmale führe, und diese epigenetische Prägung der Gene dann ggf. auch an zukünftige Generationen weitergegeben werden könne. Daraus werde häufig eine Verantwortung zur bewussten Einflussnahme auf das eigene Epigenom und das Epigenom zukünftiger Generationen abgeleitet. Diskutiert wird zudem die Idee, dass genetische und unter Umständen auch epigenetische Daten von Personen oder Bevölkerungsgruppen einen besonderen rechtlichen Schutz genießen sollten, welche auch als genetischer oder epigenetischer Exzeptionalismus bezeichnet werde.
Im Anschluss widmen sich die Autorinnen der ethischen Analyse von Genomeditierung und Epigenetik. Dabei wird der ethische Diskurs zu Epigenetik und Genomeditierung nachgezeichnet und es werden Überschneidungen und Differenzen anhand zentraler Aspekte aufgezeigt. In den Fokus genommen werden dabei v. a. Konzepte von Vererbung und Verantwortung, Gerechtigkeit und Sicherheit, die Problematik der Zustimmung/Einwilligung (consent) und Auswirkungen auf Embryonen und zukünftige Generationen. Diese Schwerpunktsetzung hänge auch damit zusammen, dass momentan das Thema Keimbahneingriffe (also vererbbare Eingriffe) durch Genomeditierung an menschlichen Embryonen besonders intensiv diskutiert werde.
7. Kulturen der Epigenetik
(2017)
Die Epigenetik entmachtet unsere Gene? Oder doch nicht? Epigenetik meint: Biochemische Moleküle interagieren zeitlebens mit der DNA in unseren Zellen und steuern in komplexer Vernetzung unser Erbgut: Entwicklung, Wachstum, aber auch Krankheiten und sogar unsere Psyche unterliegen epigenetischen Einflüssen. Die Umwelt und unsere Lebensweise spielen dabei eine große Rolle und verändern das "Epigenetische" in uns. Die Epigenetik verlangt uns neue Sichtweisen ab, nicht nur in der Biologie, sondern interdisziplinär: Wie verändert das "epigenetische Denken" unser Bild von unseren Genen, vom Lebendigen , von Entwicklung, von Evolution und Vererbung? Im Sammelband der Interdisziplinären Arbeitgsruppe Gentechnologieebricht der BBAW wird daher nicht nur der Status quo der Epigenetik vorgestellt, sondern auch untersucht, wie sich das Wissen aus diesem komplexen Thema in verschidenste Disziplinen überträgt.
Die hier vorliegende Kurzfassung stellt zentrale Ergebnisse des Sammelbands sowie die Kernaussagen der IAG Gentechnologiebericht vor.
Die Epigenetik hat sich Jörn Walter und Nina Gasparoni zufolge in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem Kernfach der Lebenswissenschaften entwickelt und eine breite Strahlkraft in nahezu alle Bereiche der Biologie und Biomedizin entfaltet. Epigenetiker*innen erforschen die Gensteuerung während der individuellen Entwicklung (Ontogenese), der Vererbung, von Gen-Umwelt-Interaktionen und von Erkrankungen wie z. B. Krebs. Als „Epigenetik“ wird die zellspezifische Genregulation bezeichnet, also diejenigen Prozesse und Mechanismen, die keine Veränderung der genetischen Information selbst bewirken, sondern ihre Zugänglichkeit bzw. Ablesbarkeit modifizieren. Epigenetische Mechanismen steuern auch Prozesse der Chromosomenorganisation im Zellkern sowie der Chromosomenstabilität. Epigenetische Veränderungen können nur kurzfristig oder auch langfristig bestehen und sind im Gegensatz zu genetischen Mutationen reversibel. In bestimmten Konstellationen von Tierversuchen und bei Pflanzen konnten sogar an die nächste Generation vererbbare Effekte nachgewiesen werden. Ob bestimmte epigenetische Änderungen auch beim Menschen an die nächste Generation vererbbar sind, ist innerwissenschaftlich umstritten. Auch diese Kontroverse wird von den Autor*innen kurz dargestellt.
In ihrem Sachstandsbericht erläutern Jörn Walter und Nina Gasparoni zunächst die allgemeine Bedeutung und molekularen Grundlagen der Epigenetik. Dabei gehen sie u. a. auf Histon-Modifikationen und deren genomweite Kartierung ein, auf Basis dessen sich das Genom in funktionell unterschiedliche Bereiche einteilen lässt. So werden Einblicke in die funktionelle epigenetische Umprogrammierung erkrankter Zellen im Vergleich zu gesunden möglich. Des Weiteren befassen sie sich mit den Mechanismen der DNA-Methylierung, mit nicht-kodierenden RNAs und dem neu entstehenden Forschungsgebiet der Epitranskriptomik. Im Anschluss geht es um epigenomische Technologien und deren perspektivische therapeutische Einsatzmöglichkeiten. Hier stehen die Epigenomik, also die genomweite Kartierung epigenetischer Veränderungen mithilfe neuer NGS-Technologien, und die Interpretation der hochkomplexen, vielschichtigen Epigenomdatensätze im Vordergrund sowie die damit verbundenen Herausforderungen an die Darstellung, bioinformatische Auswertungstechniken und Datenbankstrukturen. Internationale Forschungsnetzwerke haben zur Lösung der Probleme und zur internationalen Nutzbarmachung der Epigenomdaten im Kontext der Grundlagen- und klinischen Forschung beigetragen. Die vorgestellten epigenetischen Therapieansätze zielen darauf ab, „fehlerhafte epigenetische Veränderungen in lebenden Zellen so umzuprogrammieren, dass Zellen in einen gesunden Grundzustand zurückgeführt werden“, und werden teilweise in der Krebstherapie bereits unterstützend eingesetzt. Zielgerichteter ist die Epigenomeditierung, wobei nicht genomweit, sondern nur an bestimmten Genen eine epigenetische Umprogrammierung und dadurch zelluläre Funktionsveränderung ausgelöst wird. Zum Schluss diskutieren der Autor und die Autorin die Nachhaltigkeit epigenetischer Veränderungen und künftige Perspektiven epigenetischer Forschung.