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Das Spotlight von Hans-Georg Dederer analysiert das wegweisende Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 25.07.2018 mit Blick auf die Urteilsbegründung und prozessuale Situation. Das genannte Urteil habe zur Folge, dass genomeditierte Organismen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einzustufen seien. Mit dieser Einstufung gingen umfangreiche Auflagen für die Freisetzung und das Inverkehrbringen dieser Organismen einher, welche dem Autor zufolge Probleme des Normvollzugs nach sich zögen. So entstünden u. a. hohe Hürden für die Genehmigung und Durchführung von Feldversuchen, aufwendige Kennzeichnungspflichten und Schwierigkeiten der Nachweisbarkeit bestimmter Mutationen, die bspw. bei Haftungsfragen wegen „gentechnischer Kontamination“ relevant werden könnten. Des Weiteren dürften sich negative welthandelsrechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen ergeben, wobei der Autor das unterschiedliche Schutzniveau von genomeditierten Organismen gegenüber weitaus stärker und unspezifischer veränderten Mutageneseorganismen als inkonsistent und mit dem Recht der Welthandelsorganisation unvereinbar sowie als schwer zu rechtfertigende Handelshemmnisse für Drittstaaten einstuft. Der Beitrag endet mit einem Appell an die Politik, die relevante Richtlinie 2001/18/EG zu ändern.
Können wir mit Blick auf die molekularbiologischen, virologischen oder gentechnischen Aspekte das aktuelle Seuchengeschehen angemessen erfassen?
Die Medizinhistoriker Heiner Fangerau und Alfons Labisch skizzieren in ihrem Spotlight einen multiperspektivischen und zugleich integrativen Ansatz für eine Seuchengeschichte mit dem Ziel, „den gesamten Ereignisraum von den Ursachen, unter denen neue Erreger entstehen, über die weltweite Ausbreitung bis hin zu den Auswirkungen vor Ort zu erfassen“ (S. 437). Als Hintergrund ihrer Gedanken weisen sie das dynamische Verhältnis von Natur und Kultur und die daraus resultierenden, stets labilen lokalen und regionalen Biosphären aus. Sozial und kulturell bedingte wissenschaftliche und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse führten zur Benamung, Kommunikation und Inszenierung von – zunächst unbekannten – Krankheitsursachen und den nachfolgenden wiederum kulturell bedingten Gegenmaßnahmen. Auf der Grundlage einer datengetriebenen Produktion und Kommunikation führten Effekte einer weltweiten Verdichtung zu einer Neugestaltung und Störung von Biosphären – und damit zu den permanent drohenden „new emerging diseases“. Diese verschiedenen Aspekte könnten – notwendig immer im Gesamtzusammenhang gesehen – in weiteren Schritten auf einzelne Regionen, Krankheiten oder weitere Fragestellungen hin fokussiert werden. Die empirischen Ergebnisse stellten jeweils Knoten in einem nicht gewichteten Netz interagierender Faktoren dar: sie bildeten ein übergangs- oder nahtloses Netzwerk. Dies ermöglichte, jeweils lokal spezifizierte Seuchengeschehen in ihrem globalen Entstehen und Zusammenwirken zu analysieren.
Der Beitrag von Jürgen Hampel und Kolleg*innen stellt die Ergebnisse des TechnikRadar 2020, einer aktuellen Studie über die Haltung der deutschen Öffentlichkeit zu verschiedenen Anwendungen der Gentechnik vor. Bei der Untersuchung der Einstellungen zum Gentechnikeinsatz in der Landwirtschaft wurden die Einstellungen zur klassischen Gentechnik und zur seit Jahrzehnten eingesetzten, bisher aber kaum umstrittenen Mutagenesezüchtung, bei der neue Pflanzensorten durch den Einsatz von genverändernder Bestrahlung oder von Chemikalien hergestellt werden, verglichen. Beide Techniken seien auf hohe Ablehnung gestoßen, was die Autor*innen auf verbreitete und durch Werbung verstärkte, romantisierende Vorstellungen von Landwirtschaft, die Hochschätzung von Natur und Natürlichkeit sowie fehlende Nutzenerkennung zurückführen. Auch gegenüber der gentechnischen Herstellung von Laborfleisch, das von Befürworter*innen als Ansatz zur Lösung globaler Ernährungs-, Umwelt- und Tierschutzprobleme dargestellt werde, bestehen der Studie zufolge große Vorbehalte seitens der Öffentlichkeit. Als Gründe für die verbreitete Ablehnung werden u. a. Entfremdung, Sicherheitsbedenken und dass Laborfleisch kaum als adäquater Lösungsansatz für die globalen Ernährungsprobleme gesehen wird, angeführt. Im Bereich medizinischer Anwendungen fragte der TechnikRadar 2020 zunächst die Einstellungen zur Gewinnung von Ersatzorganen aus genetisch veränderten Tieren (Xenotransplantation) sowie aus Stammzellen (Organoide) ab. Tierschutzgründe hätten zu einer hohen Ablehnung der Xenotransplantation geführt, wohingegen die Transplantation von im Labor hergestellten Organoiden hohe Zustimmungswerte verzeichnet habe und nur von einem Fünftel für ethisch inakzeptabel gehalten werde. Bei der Untersuchung der Einstellungen zur Gentherapie differenzierte die Studie zwischen Gentherapie am Erwachsenen, Gentherapie am Embryo und Keimbahntherapie, denen jeweils eine stark abgestufte Akzeptanz korrespondiere: während 70 % der Befragten Gentherapie an Erwachsenen befürworteten, habe nicht einmal jeder Fünfte der Keimbahntherapie zugestimmt.
Die grundsätzliche Ablehnung der Keimbahntherapie falle jedoch mit der Hälfte der Befragten im Vergleich zu früheren Umfragen überraschend gering aus. Die Autor*innen betonen abschließend die Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Einstellungen zur Gentechnik entlang bestimmter Anwendungen, die eine pauschale Ablehnung Grüner und eine pauschale Zustimmung zu Roter Gentechnik hinter sich gelassen habe und fordern, dies in der Wissenschaftskommunikation zu berücksichtigen.
Das Spotlight von Alma Kolleck und Arnold Sauter stellt die Diskussion um Gene Drives im Vergleich zur Gentechnikkontroverse der letzten Jahrzehnte dar. Gene Drives (wörtlich übersetzt: Genantriebe) seien eine vergleichsweise neue Technologie, mit der durch Erhöhung der Vererbungswahrscheinlichkeit zumindest in der Theorie ganze Populationen von sich sexuell fortpflanzenden Tieren und Pflanzen verändert werden könnten. Da sie bislang nur im Labor getestet werden, sei ihre tatsächliche Wirkung noch unklar. Die Einschätzungen hinsichtlich ihrer möglichen positiven wie negativen Folgen seien vermutlich übersteigert, unterschieden sich dramatisch und führten zu verhärteten Fronten zwischen Befürworter*innen und Gegner*innen der Technologie. Damit weist der Diskurs, Alma Kolleck und Arnold Sauter zufolge, Merkmale vergangener Debatten um Gentechnologien auf, wie etwa eine Technologiefixierung statt einer Problemlösungsorientierung. Darüberhinausgehende neue Aspekte basierten auf der größeren Brisanz von Risikomanagement und -governance, da Gen-Drive-Organismen sich in Wildpopulationen autonom vermehren sollen. Dies gehe mit neuen Herausforderungen für die demokratische Mitsprache der Menschen in betroffenen Gebieten sowie für grenzübergreifende Absprachen einher.