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Für Schleiermacher ist Religion keine pädagogisch nützliche Mischung von Metaphysik und Moral, sondern eine eigene Dimension des Menschseins, Anschauung des Universums, Sinn und Geschmack fürs Unendliche; die von der Aufklärung favorisierte „natürliche Religion“ der allgemeinen, übergeschichtlichen Vernunftwahrheiten sei bloß eine Totgeburt, jede wirkliche, lebendige Religion dagegen eine unableitbare geschichtliche Individualität. Im Christentum sei Jesus Christus die Zentralgestalt, der Vermittler und Versöhner des Zwiespalts zwischen Endlichem und Unendlichem, an dem sich alle Religion abarbeite. Im Laufe seiner Entwicklung strebe das Christentum immer mehr zu Sozialgestalten ohne Hierarchie zwischen Priestern und Laien; in der Vollendung (den aber selbst der Protestantismus noch nicht erreicht habe) würden alle „von Gott gelehrt“ sein (Johannes 6,45).
Gottlieb Schleyermacher, reformierter Stabsfeldprediger in Schlesien und Pfarrer der jungen Gemeinden in Pleß und Anhalt, lernte während des Bayerischen Erbfolgekrieges in Gnadenfrei die Brüdergemeine kennen. In seiner Jugend hatte er mit seinen Eltern einer chiliastischen Gemeinschaft in und bei Elberfeld angehört, die dann zerfiel, sich danach der Aufklärung zugewandt; von nun an prägte der herrnhutische Geist die Familie. Die Eltern vertrauten ihre drei Kinder, Charlotte, Friedrich und Carl, 1783 Anstalten der Gemeine an. Charlotte blieb Herrnhuterin; lange Jahre war sie Lehrerin in Gnadenfrei. Die Söhne wandten sich von der Gemeine bald wieder ab; doch Friedrich Schleiermacher wusste sich religiös und theologisch immer Herrnhut verpflichtet.