Akademienvorhaben Jahresberichte für deutsche Geschichte
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Der Beitrag untersucht die Rezeption der Werke Lev N. Gumilëvs (1912-1992) im spät- und postsowjetischen Russland. Sowohl Kritiker als auch Bewunderer des "letzten Eurasiers", wie Gumilëv sich selbst bezeichnete, stammen in der überwiegenden Mehrheit aus dem Lager der antidemokratischen Transformationsgegner. [Selbstarchivierung mit freundlicher Genehmigung des Duncker & Humblot Verlags.]
Der Beitrag beschäftigt sich mit dem pfadabhängigen Scheitern der Transformation in Russland. Im Zentrum steht die Frage nach der Interdependenz von politischem und ökonomischem System. Die These lautet, dass das politische System Russlands die Wirtschaftsentwicklung behindert, da es angesichts seines chronischen Legitimitätsdefizits nicht in der Lage ist, stabile Rahmenbedingungen hervorzubringen.
Der Beitrag zeigt auf, wie historische Langzeitfaktoren (politische Kultur, Wirtschaftsmentalität, imperiales Erbe u.a.) institutionell vermittelt werden, auf diese Weise in der Gegenwart ihre Wirksamkeit entfalteten und so die politische Transformation hin zu einem demokratischen Rechtsstaat in der Russländischen Föderation pfadabhängig scheitern ließen.
Der Beitrag untersucht die intellektuelle Biographie Aleksandr Dugins (*1962), des wichtigsten Vertreters des Neoeurasismus im postsowjetischen Russland. Dabei wird die These vertreten, dass Dugin den klassischen Eurasismus erst zu einem Zeitpunkt entdeckte, als er beeinflusst von der Philosophie des Traditionalismus und der westeuropäischen Nouvelle Droite den Eurasienbegriff im Sinne der Geopolitik Mackinders und Haushofers bereits verwendete.
Sonderweg und "Eigenart"
(2009)
Der Beitrag stellt handbuchartig die wichtigsten Strömungen innerhalb der russischen Intelligencija seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts dar, die dem linearen universalen Fortschrittsbegriff der Aufklärung eine multilineare Konzeption der Weltgeschichte entgegenhielten. In dieser – romantischen – Perspektive ist Russland ein andersartiger, aber gleichwertiger Kulturraum, dessen Unterschiede zum Westen nicht negativ als Ausdruck von Rückständigkeit gedeutet werden, sondern als seine positiv konnotierte samobytnost’ ("Eigenart").
In geschlossenen Gesellschaften wie der sowjetischen besitzen Begriffsdefinitionen in Nachschlagewerken normativen Charakter und geben die offizielle Sicht der Machthaber wieder. Daher ist es aufschlussreich, Veränderungen zwischen verschiedenen Auflagen desselben Werkes zu analysieren. Anhand des Eintrags "Kalter Krieg" in sowjetischen Enzyklopädien lässt sich nachzeichnen, wie sich die außenpolitische Doktrin der Sowjetunion in Reaktion auf politische Ereignisse entwickelte. Auf dem Höhepunkt der Systemkonfrontation bis Anfang der fünfziger Jahre fehlte der aus dem Englischen entlehnte Terminus "Kalter Krieg" in sowjetischen Referenzwerken. Erst die Entstalinisierung unter Chruščev und das faktische Abklingen des Kalten Krieges machten die systematische Verwendung des Begriffs "Kalter Krieg" in der Sowjetunion überhaupt möglich. Bezeichnete dieser im sowjetischen Verständnis bis in die achtziger Jahre konstant eine aggressive Politik der kapitalistischen gegen die sozialistischen Staaten, erfuhr er doch einen historischen Wandel. Seine Definition versachlichte sich, das dem Feind zugeschriebene Instrumentarium wurde raffinierter, dessen angebliche Absichten entfernten sich immer weiter vom Ziel, einen neuen Weltkrieg zu entfachen. Dies ging soweit, dass die sowjetische Seite den "Kalten Krieg" nach der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki vorübergehend als Phänomen der Vergangenheit betrachtete. Schliesslich erfolgte im postsowjetischen Russland der Schritt auf eine höhere Abstraktionsstufe. Der "Kalte Krieg" wird nun mehrheitlich nicht mehr als antisowjetische Politik des Westens verstanden, sondern als historische Epoche des Systemantagonismus.
Der Beitrag untersucht die Rezeption der Werke Lev N. Gumilëvs (1912-1992) im spät- und postsowjetischen Russland. Sowohl Kritiker als auch Bewunderer des "letzten Eurasiers", wie Gumilëv sich selbst bezeichnete, stammen in der überwiegenden Mehrheit aus dem Lager der antidemokratischen Transformationsgegner.