Akademienvorhaben Schleiermacher in Berlin 1808-1834, Briefwechsel, Tageskalender, Vorlesungen
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Dieser Kongressvortrag aus dem Jahr 2006 stellt Schleiermacher als Kirchenkundler vor. Das Christentum tritt für Schleiermacher stets als organisierte Lebensgemeinschaft in Erscheinung. Seine „kirchliche Statistik“ genannte Vorlesungen über die christlichen Kirchen der Gegenwart haben daher weniger Dogma und Lehre zum Gegenstand als vielmehr inneres Leben, Soziologie und Kirchenverfassung.
Claus Harms, populärer Prediger in Kiel und weithin bekannt als streitbarer Gegner des Rationalismus, antwortete 1826 mit einem Leserbrief auf die Rezension eines Predigtbandes von ihm in den „Jahrbüchern der Theologie“. Darin verteidigte er die Legitimität der Kanzelpolemik. In seinen späteren Vorlesungen über die Pastoraltheologie nahm er das Lob der Polemik allerdings teilweise wieder zurück.
Als Deutschland 1817 das 300jährige Reformationsjubiläum feierte, beteiligten sich auch die zwei Berliner Theologieprofessoren Philipp Marheineke und Friedrich Schleiermacher daran, Schleiermacher mit Predigten und einer lateinischen akademischen Festrede, Marheineke ebenfalls mit einer Predigt und mit einer zweibändigen Reformations-geschichte Deutschlands. Die Beiträge zeigen, wie sich beide in ihrer Deutung der Reformation, ihrer historischen Einordnung des Protestantismus und ihrer Bestimmung des Verhältnisses zwischen Christentum einerseits, Staat, Nation und Gesellschaft andererseits unterschieden.
Das „Wort und Bekenntnis Altonaer Pastoren in der Not und Verwirrung des öffentlichen Lebens“, verfasst unter dem Eindruck des Altonaer Blutsonntags (17.7.1932) und am 11.1.1933 veröffentlicht, wenige Wochen vor der nationalsozialistischen Machtergreifung, rief im Namen der Ordnung und des Ordnungswillens Gottes zur Loyalität gegen den Staat auf und verwarf den Traum vom kommunistischen Paradies und den Glauben an einen Zukunftsstaat nationaler Artgemäßheit als widerchristliche Heilslehren. Dieser Beitrag macht geltend, dass der seinerzeit aufsehenerregende Text, der von Bonhoeffer und den republikanisch Gesinnten begrüßt, von kommunistische rund nationalsozialistischer Seite scharf abgelehnt wurde, kein „unklares Vorspiel“ war, wie Hartmut Ludwig in Anlehnung an Ernst Wolf schrieb, sondern der Auftakt der bekenntnismäßigen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus.
Seit Beginn des Christentums sind Briefe und Korrespondenzen wichtige Quellen nicht nur für Kirchenverfassung, Theologie und Lehre, sondern auch für Mentalität, gelebte Frömmigkeit und die Alltagsgeschichte des Glaubens. Dieser Vortrag aus dem Jahr 2016 nimmt sich dementsprechend Schleiermachers Briefwechsel der Jahre 1808 bis 1810 vor: Was erfahren wir aus ihm über Hausgottesdienste, die damals viele Familien feierten, statt die öffentlichen Gottesdienste in der Kirche zu besuchen? Wie beging und erlebte man das heilige Abendmahl? Was teilt man einander aus dem eigenen Innersten mit?
In seinen Vorlesungen zur Hermeneutik setzt Schleiermacher sich auch mit der Tradition auseinander, Texten, insbesondere heiligen Texten und Texten ohne einen als Person greifbaren Autor, einen Sinn jenseits des wörtlichen Sinnes beizulegen. Obwohl das Allegorisieren den Grundsätzen seiner Hermeneutik nicht entspricht, hielt er für Prediger einen Umgang mit Bibeltexten für legitim, der sich dem Allegorisieren nähert.
This essay deals with Friedrich Schleiermacher’s readings on ecclesiastical geography and statistics (which have been be published for the first time in 2005 as volume II/16 of the Kritische Gesamtausgabe). For Schleiermacher the ecclesiastical statistics were the last part of historical theology; he developped this subject to describe the present state of the churches in the whole world, especially their life and culture, their constitutions, and their relations with states and goverments. Though Schleiermacher’s statistics had some influence on comparative symbolics and the study of denominations as well as on Practical Theology, they could not be established as one discipline among the other theological disciplines.
Die Berliner Charité, heute Universitätsklinikum, war um 1800 ein vor der Stadt gelegenes Armenhospital von zweifelhaftem Ruf, dazu gerade im Umbau begriffen. Als Friedrich Schleiermacher dem literarisch-kritischen, avantgardistischen Kreis der Frühromantiker angehörte und die Berliner Salons frequentierte, hatte er hier seine Arbeitsstelle: er war der reformierte Krankenhauspfarrer. Der Beitrag beschreibt sein Arbeitsfeld und seine Arbeitsbedingungen, Konflikte mit dem Armendirektorium, das die Aufsicht führte, Predigten, die über den trüben Alltag erheben und den hohen sittlichen Beruf der Christen vor Augen stellen sollten, und erste Ideen zu einer praktisch ausgerichteten lutherisch-reformierten Union.
Henrich Steffens als Naturphilosoph und Friedrich Schleiermacher als Geistes- und Kulturphilosoph und Theologe arbeiteten als Kollegen in Halle noch Hand in Hand. Jahrzehnte später gehörte Steffens zu den dissidenten Lutheranern in Breslau, die sich der staatlich verordneten Unionsagende verweigerten, während Schleiermacher Konzepte schrieb, um die Dissidenten für die Staatskirche zurückzugewinnen.
Der theologische Rationalismus war die letzte Gestalt der Aufklärungstheologie; seine Blütezeit erlebte er gleichzeitig und in Konkurrenz mit der u.a. von Schelling geprägten spekulativen Richtung und mit der teils mehr biblizistischen, teils mehr konfessionellen Theologie der Erweckung. Kennzeichen des Rationalismus war einerseits eine verstärkte historisch-kritische Quellenforschung, andererseits das Bemühen, Lehre und Praxis soweit möglich auf das auszurichten, was jenseits geschichtlicher Autoritäten der allgemeinen menschlichen Vernunft plausibel sei: die Existenz Gottes, die Unsterblichkeit der Seele und die Pflicht zu tugendhaftem Leben. Seit etwa 1840 verfiel der Rationalismus.