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Zusammenfassung
(2021)
Die synthetische Biologie (SynBio) ist ein höchst interdisziplinärer Forschungszweig, der ein ganzes Spektrum naturwissenschaftlicher Disziplinen vereint. Dies führt zu Schwierigkeiten, Expert*innen auf dem Gebiet als solche zu erkennen, da sich selbst Wissenschaftler*innen der SynBio nicht vorrangig als solche bezeichnen würden.
Der Beitrag von Angela Osterheider und Kolleg*innen verfolgt daher zwei Ziele:
Zum einen wird die Webapplikation ExpertExplorer vorgestellt, die fachlich ausgewiesene Expert*innen auf einem Forschungsgebiet anhand ihrer Publikationen ermitteln kann. Zum anderen beschreiben die Autor*innen unter Anwendung des ExpertExplorers die Forschungslandschaft SynBio, indem v. a. in Deutschland tätige Wissenschaftler*innen mit Expertise auf dem Gebiet der synthetischen Biologie recherchiert werden. Abschließend wird die Funktionsweise des ExpertExplorers sowie die vorgestellte Analyse reflektiert und ein Fazit gezogen. Die Autor*innen halten die Applikation für geeignet, um sich schnell und umfassend einen aktuellen Überblick über fachlich ausgewiesene Expert*innen auf den Feldern biomedizinischer Forschung zu verschaffen und auch langfristige Entwicklungen von Forschungslandschaften sichtbar zu machen.
Ein Alleinstellungsmerkmal der Arbeit der IAG Gentechnologiebericht sind die sog. Problemfelderhebung und die Indikatorenanalyse, die hinsichtlich ihrer Ziele, Methodik und Ergebnisse in dem Beitrag von Angela Osterheider, Louise Herde und Lilian Marx-Stölting vorgestellt werden. Im Zentrum steht dabei das vielschichtige und von den verschiedensten Fachdisziplinen geprägte Feld der Gentechnologien in Deutschland. Darunter fallen Themen, die zum Teil seit Beginn der Arbeit der IAG im Rahmen von Themenbänden behandelt worden sind: so wird eine Untersuchung der Entwicklung über die Zeit hinweg ermöglicht: Gentherapie, Grüne Gentechnologie, Gendiagnostik, Stammzellforschung, Epigenetik, synthetische Biologie und Organoidforschung (als Teilbereich der Stammzellforschung).
Diese Themenfelder werden in einer messbaren und repräsentativen Form für die fachliche und interessierte breitere Öffentlichkeit erschlossen. Im Rahmen dieses Ansatzes werden zunächst qualitative Problemfelder, d. h. öffentlich diskutierte Aspekte und Fragen zu den Themen, erhoben, die dann den vier Leitdimensionen (wissenschaftliche, ethische, soziale und ökonomische Dimension) sowie Indikatoren (quantitative Daten im Zeitverlauf) zugeordnet werden. Die im Rahmen des Fünften Gentechnologieberichts beleuchteten Problemfelder sind: Realisierung Forschungsziele, Forschungsstandort Deutschland, öffentliche Wahrnehmung, soziale Implikationen, gesundheitliche Risiken, Dialogverpflichtung der Forschung und ethische Implikationen. Die Indikatoren, die die genannten Problemfelder quantitativ beschreiben und somit ihre Bedeutung messbar machen sollen, betreffen die mediale Abbildung, die Anzahl an Neuerscheinungen, Online- Suchanfragen, internationalen Fachartikeln, Fördermitteln durch den Bund, die DFG und die EU sowie öffentlichen Veranstaltungen zu den jeweiligen Themenfeldern.
Vernunft als Therapie und Krankheit: Medizinische Denkfiguren in der Geschichte der Philosophie
(2021)
Reason as Therapy and Illness: Medical Figures of Thought in the History of Philosophy. This paper tackles the question how philosophers have used medical metaphors, analogies or aspects of medical theories in their works. It discusses the idea of ancient Greek philosophy as a medicine of the soul, as well as the Christian surgery of the text-body and finally, how madness became a central problem for the philosophical conception of reason.
Im Sachstandsbericht von Stefan Mundlos werden die technischen Möglichkeiten der genetischen Diagnostik von den Anfängen mit Zytogenetik und sog. Sanger-Sequenzierung bis hin zur Revolution des Gebietes durch automatisierte Hochdurchsatzsequenzierungen (Next Generation Sequencing), der gleichzeitigen Analyse von Millionen DNA-Fragmenten, vorgestellt mit Blick auf ihre Funktionsweise, Vor- und Nachteile und diagnostischen Einsatzmöglichkeiten. Dabei geht der Autor auch auf Ganzgenomsequenzierungen, die Analyse genetischer Varianten und die Interpretation der erhobenen Daten ein. Anschließend werden gesetzliche Regelungen sowie Abrechnungsmodalitäten und der Zugang zu genetischer Diagnostik im deutschen Gesundheitswesen thematisiert. Auch Grenzen, Probleme und ethische Aspekte der Gendiagnostik werden erläutert, darunter die Uneindeutigkeit und Wahrscheinlichkeitsbasiertheit genetischer Daten sowie damit einhergehende Interpretationsschwierigkeiten. Angesichts dessen sowie von Zufalls- und Zusatzbefunden plädiert der Autor für eine Einschränkung auf klinisch begründete und notwendige Tests, eine Risiko-Nutzenabwägung und einen Vorrang der individuellen Selbstbestimmung. Zum Schluss wird das Ziel vorgestellt, eines Tages alle seltenen Erkrankungen diagnostizieren zu können, um den Patient*innen Jahre der Ungewissheit und falscher Therapien zu ersparen. Bis dahin müsse jedoch noch viel geforscht werden.
Fruzsina Molnár-Gábor und Andreas Merk analysieren in ihrem Spotlight die datenschutzrechtliche Beurteilung von Neurodaten mit Fokus auf medizinische Anwendungen. Neurodaten werden durch Messung von Signalen im Gehirn erhoben und als personenbezogene, aufgrund ihrer Aussagekraft über mentale Prozesse und kognitive Fähigkeiten sowie ggf. handlungsrelevante Muster und Strukturen des Denkens äußerst sensible Daten dargestellt. Ihr prädiktives Potenzial sei mit dem genetischer Daten vergleichbar, aber stärker von informationellen Unsicherheiten geprägt und aufgrund von Interaktionsmöglichkeiten durch Gehirn-Computerschnittstellen direkt nutzbar. Der Chance auf größere Autonomie von Patient*innen durch neurotechnische Geräte wie z. B. digitale Sprechermöglichung, stellen die Autorin und der Autor die Gefahr einer „schleichenden Aushöhlung der Selbstbestimmung“ (S. 362) und Risiken der psychischen und physischen Integrität sowie Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit gegenüber.
Im zweiten Teil des Beitrags werden spezifische Herausforderungen der
informierten Einwilligung, insbesondere die Erfüllung von Aufklärungspflichten, eine geeignete Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung sowie der Umgang mit dabei entstehenden neuen Informationen und Prädiktionsmöglichkeiten, diskutiert.
Fruzsina Molnár-Gábor und Andreas Merk fokussieren insbesondere auf die mit den Eigenschaften von Neurodaten einhergehenden Herausforderungen für Kontrollmöglichkeiten der Datenverarbeitung, das Recht auf Vergessen, insbesondere das eigene Vergessen der Daten und Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung.
Abschließend fordern sie dazu auf, kontextbezogene Verarbeitungsregeln
für einen datenschutzkonformen Umgang mit Neurodaten sowie ein
Konzept der Informations-Governance zu erstellen.
Doing Health: Chinese and Other Perspectives. In ancient China, health was related to the individual person and their unique life. Both medical and philosophical texts testify to this: Maintaining vitality in the course of one’s own lifespan was a priority. Daily caring for one’s health revolved around Qi 氣 – a universal medium that is at the same time material and spiritual, emotional and neutral, unitary and diverse, as well as biological, psychological and physiological. Health thus becomes a verb, an act, a property to be preserved, a wavering and oscillating between pleasure and strength. Not least because of the pandemic, the demand for ‘traditional’ healing expertise rose worldwide. Against this background, early Chinese views on life are of unprecedented importance: From their perspective, a reorientation of public and global health policies seems inevitable.
Als ich im Januar 2018 nach Potsdam zog, war ich hoch motiviert: Mein Studium hatte ich erfolgreich beendet und nun musste ich nur noch die letzte Hürde überwinden, um meinen Traumberuf Grundschullehrerin zu erreichen: das Referendariat. Fünf Tage hat es gedauert, bis sich mein Leben ändern sollte. In meinem WG-Zimmer voller Umzugskartons ertastete ich eines Abends eine Verhärtung in meiner Brust. Zwei Tage später hatte ich einen Termin bei einem Gynäkologen. Im Ultraschall sah man einen Tumor von etwa 1,5 cm Größe, der abgeklärt werden musste. „Machen Sie sich keine großen Sorgen. Ich hatte noch nie eine Patientin in ihrem Alter, bei der es etwas Bösartiges war.“ Mit diesen Worten verabschiedetet mich der Mediziner.
The Art of Medicine and Philosophy: On the Genesis of a Basic Relationship in European Thought. Referring to the examples of Hippocrates and Socrates, in this essay, we establish the thesis that philosophy and medicine in Greek philosophy are to be regarded as strongly interdependent. In their view, interpretations of health and disease are intertwined with various contexts or settings such as living conditions, environment and climate, which has implications for the therapy of patients as an art of healing. The relevance and philosophical perspectives of this epoch for modern medicine and public health on a globalized planet are highlighted.
Concepts of Man – Concepts of Health: A Glimpse of Their Relationship in Antiquity With Relevance to Our Day and Age. Referring to ancient miraculous healing narratives, this article argues that concepts of health are inextricably intertwined with concepts of man. However, the relatively autonomous idea of medical treatments based on scientific reasoning is not an invention of modern secularization. It already existed in antiquity – even among people of faith. Gods and other religious authorities were regarded as mediating factors; they were not held responsible for diseases or cures. Examples from Christian and pagan traditions show that the interplay between ideas of man and concepts of health were extremely complex and diverse. Obviously, this was true already in antiquity – but it is even more evident in the present. Dualistic confrontations (e. g., pre-modern versus modern times, pre-scientific healing vs. academic medicine) are of little help to achieve universal health care and global health.