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In ihrem Sachstandsbericht geben Martin Zenke und Sina Bartfeld einen Überblick über gegenwärtige Entwicklungen der Stammzell- und Organoidforschung. Stammzellen werden definiert als Zellen, die sich sowohl vermehren als auch spezialisierte Zelltypen bilden können und eine zentrale Rolle bei der Embryonalentwicklung sowie der Aufrechterhaltung und Reparatur von Organen und Geweben spielen. Stammzellen sind auch Ausgangsmaterial zur Herstellung von Organoiden, dreidimensionalen, organähnlichen Zellverbänden, die in erster Linie als Modelle von Organen und damit der Erforschung ihrer Entwicklung und Erkrankungen dienen. Der Autor und die Autorin unterscheiden zunächst verschiedene Stammzelltypen, zum einen nach ihrem Entwicklungspotenzial, zum anderen danach, ob sie „natürlich vorkommen (konventionelle Stammzellen)“ oder „künstlich hergestellt (engineered)“ werden. Bei Letzteren handelt es sich bspw. um induzierte pluripotente Stammzellen (sog. iPS-Zellen), die aus Körperzellen durch Zugabe bestimmter Faktoren in einem als „Reprogrammierung“ bezeichneten Prozess generiert werden. Zur Bedeutung des Genome-Editing mit CRISPR/Cas für die Stammzellforschung wird hervorgehoben, dass gezielte genetische Veränderungen an Stammzellen bei den aus ihnen gewonnenen Zellen bestehen blieben. Dies könne u. a. für die Herstellung spezifischer Krankheitsmodelle für die Medikamentenentwicklung genutzt werden. Zudem werden blutbildende (hämatopoetische) Stammzellen, Stammzellen aus Nabelschnurblut, mesenchymale (Bindegewebs-) Stammzellen und neurale Stammzellen mit Blick auf ihren Ursprung, ihren gegenwärtigen Einsatz und ihr Potenzial für die weitere Forschung und Anwendung vorgestellt.
Der zweite Teil des Beitrages geht auf Organoide ein. Dabei werden zunächst ihre Herstellung aus pluripotenten bzw. gewebespezifischen Stammzellen sowie die damit einhergehenden Unterschiede diskutiert. Im Anschluss geht es um den Einsatz von Stammzellen und Organoiden als Modelle zur Erforschung genetisch bedingter Krankheiten und Krebs-, Stoffwechsel- und Infektionskrankheiten sowie die Nutzung patienteneigener Organoide zur Testung der individuellen Medikamentenwirksamkeit, bspw. bei Mukoviszidose. Für den Einsatz von Stammzellen in der regenerativen Medizin werden künftige Möglichkeiten der Transplantation von Organoiden oder von aus diesen abgeleiteten Zellen prognostiziert. Nach einem kurzen Exkurs über Embryoide, aus Stammzellen gewonnene, embryoähnliche Strukturen, bietet der Beitrag eine ethische und rechtliche Einordnung der Forschung an Stammzellen und Organoiden an, wobei eine grundlegende Revision des Stammzellgesetzes gefordert und insbesondere auf Hirnorganoide und Embryoide eingegangen wird.
3.3 Totipotenz im Mausmodell
(2018)
Neue und aufsehenerregende Erkenntnisse auf dem Gebiet der Stammzellforschung haben dazu geführt, dass Ergebnisse der Grundlagenforschung in diesem Forschungszweig weit über die Grenzen der Fachdisziplin in der Gesellschaft wahrgenommen werden. Das Supplement Stammzellforschung und Zelltherapie ergänzt den medizinischen Teil des Gentechnologieberichts. Im Zentrum steht eine umfassende Darstellung des Wissens und der Technik, ergänzt von Expertisen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und zu den ethischen Konflikten sowie Indikatoren, die das Thema aufschlüsseln und bewerten helfen. Mit seinem interdisziplinären Ansatz präsentiert das Supplement zum Gentechnologiebericht ein Monitoring zum Stand der Stammzellforschung und Zelltherapie und will zugleich zu einer Moderation der öffentlichen Diskussion beitragen.
Dieses Kapitel beleuchtet die Voraussetzungen, die Chancen, beobachtbaren Entwicklungen und ethischen Herausforderungen einer Medizin, die als personalisierte Medizin, Systemmedizin oder Präzisionsmedizin bezeichnet wird und wesentlich auf der Idee basiert, alle gesundheitsrelevanten Daten einer Person so zu erfassen, dass Prävention, Diagnose und Therapie stärker auf die individuellen biologischen Eigenschaften dieser Person zugeschnitten werden können. Hierfür werden zunächst die zentralen Begriffe ‚Big Data‘ und ‚personalisierte Medizin‘, sowie ihre Verwendung und Begriffsgeschichte eingeführt (Abschnitt 17.1 und 17.2). Gerade weil einerseits Daten und Wissen aus beiden Handlungsfeldern – Forschung und Gesundheitsversorgung – für eine datenintensive und personalisierte Medizin systematisch zusammengeführt werden sollen und andererseits unterschiedliche Prinzipien in der ärztlichen Ethik und Forschungsethik handlungsleitend sind, stellen sich hier wichtige ethische Fragen (Abschnitt 17.3): Etwa nach dem Umgang mit Zufallsbefunden, nach der Verantwortung von Forscher*innen für den Schutz der Privatsphäre der Patient*innen oder nach den Möglichkeiten einer ausreichend informierten Einwilligung. Deutlich wird hierbei, dass, neben den individuellen Kontrollmöglichkeiten über Daten, die Anforderungen an eine transparente und rechenschaftspflichtige Daten-Governance, also an die Lenkung und Aufsicht der Datennutzung, immer wichtiger werden (Abschnitt 17.4). Diese wird zum einen im Rückgriff auf das Konzept einer solidarischen Datennutzung mit Blick auf notwendige Regeln der Daten-Governance ausgeführt (Abschnitt 17.4.1). Zum anderen wird im Abschnitt 17.4.2 gefragt, inwiefern eine moralische Hilfspflicht begründet werden kann, individuelle klinische Daten der Forschung zur Verfügung zu stellen. Verschiedene Möglichkeiten, persönliche Daten für die Forschung freizugeben, werden in Abschnitt 17.4.3 vorgestellt – insbesondere am Beispiel der sogenannten ‚Datenspende‘. Zuletzt (Abschnitt 17.5) werden die Konzepte der Selbstermächtigung (Empowerment) und der Partizipation von Patient*innen, die im Zusammenhang mit datenintensiver Forschung immer häufiger diskutiert werden, kritisch in den Blick genommen. Statt einer inflationären Anwendung dieser Begriffe auf alle Praktiken, in denen Patient*innen aktiv etwas beitragen, wird dargelegt, wie Formen von Patient*innenbeteiligung gefördert werden können, die den Handlungsraum der Menschen sinnvoll erweitern.
Das Kapitel "Themenbereich Epigenetik: Bedeutung und Anwendungshorizonte für die Biowissenschaften" im "Dritten Gentechnologiebericht" legt ein umfassendes Monitoring zu den aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet der Epigenetik vor. Das Indikatoren-basierte Vorgehen, das in den letzten Jahren etabliert wurde, wird dabei fortgeführt. Zentrale Themen, die aufgegriffen werden sind etwa Definitionen und Bedeutung der Epigenetik, Formen epigenetischer Vererbung und ihre Bedeutung für Biomedizin und Biowissenschaften, die Epigenomforschung, Konzepte transgenerationaler epigenetischer Vererbung sowie das Themenfeld Epigenetik und Biotechnologie. Problemfelder und Indikatoren zur Epigenetik runden den Beitrag ab.