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Abstract (ger): Die Flüssigkeitsschichten, die um ein sich bewegendes Molekül herumfließen, haben infolge der endlichen Abmessungen der Flüssigkeitsmolekeln eine endliche Dicke. Die Berücksichtigung dieses Umstandes führt zu einer Modifikation der Stokesschen Gesetze der Kontinuumstheorie für den Zusammenhang zwischen Reibung und Viskosität. Es ergibt sich die richtige Größenordnung und ungefähr die richtige Radienabhängigkeit der beobachteten Mikroreibung, und zwar sowohl für die Rotation als auch für die Translation.
Abstract (ger): Reichweite und Grenzen naturwissenschaftlicher Erklärungen ergeben sich zum einen aus der universellen Gültigkeit physikalischer Gesetze, zum anderen aus intrinsischen Grenzen, zumal bei selbstbezüglichen Fragestellungen. In diesem Essay geht es um deutungsoffene Grundfragen in Zusammenhang mit der Beziehung von Wissenschaft und Religion: Der Unterscheidung von Tier und Mensch, der Entstehung der mentalen Fähigkeiten der biologischen Spezies „Mensch“, den naturgesetzlichen Voraussetzungen eines „lebensfreundlichen“ physikalischen Universums, und den Grenzen einer naturwissenschaftlichen Erklärung von menschlichem Bewusstsein. Naturwissenschaft kann auf der philosophischen, kulturellen und religiösen Ebene die Mehrdeutigkeit der Welt nicht auflösen. Agnostische und religiöse Grundauffassungen werden auf Dauer ko-existieren, und die Wahl ist nicht nur eine Frage des Wissens, sondern besonders auch der Weisheit und der Lebenskunst.
Die moderne Naturwissenschaft zeigt eindrucksvoll die große Reichweite des menschlichen Denkens - sie wirft aber auch die Frage nach ihrer menschengerechten Anwendung auf und führt an unüberwindliche Grenzen jeder Erkenntnis. Tragweite und Grenzen der Wissenschaft verweisen uns zurück auf uralte Fragen der Philosophie, zum Beispiel auf die Suche altgriechischer Denker nach den Urprinzipien der Natur oder auf das „Wissen vom Nichtwissen“ des Nikolaus von Kues. Der Blick auf 2500 Jahre Geschichte des Denkens über die Natur soll dabei helfen, die moderne Naturwissenschaft wieder in die großen Sinn- und Wertzusammenhänge menschlichen Lebens zu stellen.
Die volle Anwendbarkeit der Physik auf die Biologie des menschlichen Gehirns bedeutet nicht notwendig, dass es ein finitistisches und zugleich vollständiges, algorithmisches Verfahren der Korrelation mentaler mit physikalischen Zuständen geben kann. Vielmehr gibt es Gründe für die Hypothese, dass eine umfassende Theorie der psychophysischen Beziehung prinzipiell unmöglich sein könnte. Diese Auffassung verbindet die Universalität der Physik mit der logischen Begrenztheit des menschlichen Denkens (z. B. in Bezug auf sich selbst) und betrachtet Bewusstsein - die ursprünglichste menschliche Erfahrung - nicht als Randphänomen. ++++ Die Zeitschrift RATIO erschien bis 1987 in einer deutschen und in einer englischen Ausgabe. Die englische Version des Artikels lautet: A. Gierer, The physical foundations of biology and the problems of psychophysics. RATIO XII, No. 1, 1970. S. 47-64.
Naturwissenschaftliches Denken, wie es von altgriechischen Naturphilosophen begründet und in der Antike weiterentwickelt wurde, verfiel mit dem Aufstieg der monotheistischen Offenbarungsreligionen, die die Neugier auf die natürliche Wirklichkeit als eitle Bemühung ansahen, welche nichts zum Seelenheil beitrage. Die neuzeitliche Naturwissenschaft nahm ihren Ausgang in der Renaissance, die die kreativen Fähigkeiten des menschlichen Denkens wiederentdeckte. Sie verdankt aber auch sehr viel dem Aufbruch philosophisch-theologischen Denkens im Mittelalter, der dem „Buch der Natur“ eine Anerkennung als gleichberechtigten Zugang zur Wahrheit neben dem „Buch der Offenbarung“ verschaffte. Die ersten Ansätze hierzu zeigen sich besonders im Werk eines überragenden, wenn auch oft verkannten Denkers des 9. Jahrhunderts - Johannes ERIUGENA. Er postulierte den Vorrang der Vernunft vor der Autorität, erlaubte sich sehr weitgehende sinngemäße Interpretationen biblischer Überlieferungen und sah die Erkenntnis der natürlichen Wirklichkeit mit Begriffen menschlicher Vernunft als gottgewollt und gottgegeben an. Der Mensch selbst sei die Zusammenfassung der gesamten Schöpfung. Gleichzeitig und unabhängig von ERIUGENA forderte AL-KINDI in Bagdad - auf der Grundlage ähnlichen Wissens und ähnlicher philosophischer Ideen - die positive Bewertung wissenschaftlicher Bemühungen ein. In der frühen Renaissance war es besonders CUSANUS, der Ideen von ERIUGENA aufnahm. Mit der Betonung der menschlichen Kreativität, der Forderung nach quantitativen Experimenten, besonders aber mit seiner Philosophie des positiven Wissens um die Grenzen des Wissens, ging CUSANUS aber auch wesentlich über ERIUGENAs Gedanken hinaus. Als dann, über sieben Jahrhunderte nach ERIUGENA, GALILEI die moderne Naturwissenschaft begründete, rechtfertigte er sein freizügiges Denken im „Brief an CASTELLI“ mit Argumenten, die in erstaunlichem Maße mit Vorstellungen ERIUGENAS übereinstimmen.+++++++ An abbrived English version is also available online (17 pages): <a href="http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:b4360-1001048">Alfred Gierer (2000), Eriugena and al-Kindi, Nineth century protagonists pro-scientific cultural change</a>.
Die Entstehung der modernen Naturwissenschaften beruhte auf sehr spezifischen Merkmalen der daran beteiligten Kulturen, und doch sind ihre Erkenntnisse und Ergebnisse transkulturell und weltweit akzeptiert. So waren die Elektrizitätslehre und die Elektrotechnik spezifische Produkte der europäischen Kultur der Neuzeit, die ihrerseits auf einer bestimmten Sequenz und Kombination kultureller und interkultureller Entwicklungen bis zurück zur altgriechischen Philosophie aufbauten. Sie entstanden nicht in China, wo die Kraft des theoretischen Denkens nicht in gleicher Weise eingeschätzt wurde. Warum wurden dann aber moderne Wissenschaft und Technik transkulturell wirksam? Ein Hauptgrund dafür dürfte darin bestehen, daß die zugrunde liegenden kognitiven Fähigkeiten - Fähigkeiten der Abstraktion, des symbolischen und strategischen Denkens - auf einer biologischen Basis beruhen, die der gesamten heutigen Spezies Mensch gemeinsam ist. Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis sind aber auch die prinzipiellen Grenzen der Erkenntnis; sie bedingen, daß naturwissenschaftliches Denken, das seine eigenen Grenzen kritisch reflektiert, auf der metatheoretischen Ebene mit verschiedenen philosophischen und kulturellen Interpretationen des Menschen und der Welt vereinbar ist. Dazu gehören auch religiöse Interpretationen, die die Ordnung der Natur mit dem menschlichen Geist verbinden und es dem Menschen aufgeben, diese Ordnung mit Hilfe seines Denkens zu erleben und zu erfahren.
In dem Buch über „Wissenschaft und Menschenbild“ werden verschiedene Wege zu einem Verständnis unserer Spezies „Mensch“ begangen: Zum einen zeigt uns die Geschichte und die geistige Struktur der modernen Naturwissenschaft sowohl die umfassende Reichweite als auch die prinzipiellen Grenzen menschlicher Erkenntnis auf, und zwar wohl besser und genauer als jede andere Kulturleistung. Zum anderen ergibt die Evolutions- und die Gehirnbiologie Einsichten in menschliche Grundfähigkeiten wie Sprache, Selbstrepräsentation und strategisches Denken. Sie sind Ergebnisse genetischer Evolution, bildeten aber dann die Voraussetzung dynamischer kultureller Entwicklung, die nicht mehr auf genetischen Änderungen beruht. Die moderne Wissenschaft ist, indem sie ihre eigenen Grenzen begründet, offen für verschiedene, natürlich nicht für alle kulturellen und philosophischen Interpretationen des Menschen und der Welt. Menschliches Bewusstsein ist ein Ergebnis der Evolution des Gehirns, und doch ist die Gehirn-Geist-Beziehung aus entscheidungstheoretischen Gründen vermutlich nicht vollständig dekodierbar. Eine wesentliche Fähigkeit unserer Spezies Mensch ist kognitionsgestützte Empathie. Sie entstand vielleicht im Kontext der Evolution strategischen Denkens, indem sie es erleichtert, das Verhalten anderer vorherzusehen, ist aber auch Motivation für altruistisches Verhalten. Stereotype Kontroversen zwischen Sozialwissenschaftlern und Soziobiologen erscheinen heute eher überflüssig; es gibt eine, wenn auch begrenzte, biologische Basis auch für freundliche menschliche Eigenschaften wie Kooperativität und Vertrauen und nicht nur für Egoismus. Moralische Vorstellungen sollten die biologischen Grundlagen menschlichen Verhaltens respektieren: Gemeinwohl ist eine durchaus reale, aber doch begrenzte Ressource unserer Spezies „Mensch“. Sie ist eher behutsam zu aktivieren, und moralische Überforderungen sind kontraproduktiv.
Der Artikel verweist auf die eindrucksvollen Beiträge moderner bewusstseinsnaher Hirnforschung zum Verständnis höherer Leistungen und Fähigkeiten des menschlichen Gehirns, geht dann aber auf Gründe für prinzipielle Grenzen einer naturwissenschaftlichen Erklärung unseres Bewusstseins ein. Insbesondere stehen entscheidungstheoretische Gründe vermutlich einer vollständigen Dekodierung der Gehirn-Geist-Beziehung entgegen, zumal hinsichtlich selbstbezogener Aspekte. Dies impliziert unter anderem, dass dem Einstieg in fremdes Bewusstsein Grenzen gesetzt sind, was die Gedanken, das Wissen und den Willen Anderer angeht - und doch gibt es oft zu wenig Bescheidenheit und Zurückhaltung im Urteil über angeblich genau bekannte fremde Motive.