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Der Pflanzenphysiologe Stephan Clemens diskutiert in seinem Sachstandsbericht zur Grünen Gentechnik, inwiefern die neuen Methoden der Genomeditierung mittels CRISPR/Cas eine Neubewertung der Grünen Gentechnik erforderlich machen und eine Veränderung ihrer öffentlichen Wahrnehmung und Regulierung ermöglichen. Dabei werden zunächst aktuelle Entwicklungen der Genomeditierung von Pflanzen, ihre Funktionsweise, ihr Potenzial für die Grundlagenforschung und Anwendungen in der Landwirtschaft sowie mögliche nicht beabsichtigte Effekte dargestellt. Dabei kontextualisiert der Autor die verschiedenen Verfahren in der Geschichte der Pflanzenzüchtung, wobei insbesondere die Rolle der ungerichteten Mutagenese (Herbeiführung zufälliger genetischer Veränderungen durch Bestrahlung oder chemische Behandlung) bei der Entwicklung neuer Pflanzensorten wie kommerziell erfolgreicher Getreidesorten hervorgehoben wird. Die Genomeditierung eröffne gegenüber herkömmlichen Verfahren neue Möglichkeiten der gezielten Veränderung von Genen und genregulatorischen Elementen, für die der Autor einige Beispiele gibt, darunter die anvisierte Abschwächung der Immunogenität von Glutenproteinen und die De-novo-Domestizierung von Wildreis. Entsprechend erwartet er von den pflanzenzüchterischen Erfolgen der Genomeditierung einen Beitrag zur Bewältigung globaler Herausforderungen, insbesondere zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und Erhöhung der Qualität, Quantität, Sicherheit und klimatischen Angepasstheit von Nahrungsmitteln. Die Genomeditierung werde aber transgene Pflanzen nicht gänzlich ersetzen können, da sie eine zentrale Rolle in der Grundlagenforschung spielten und einige Eigenschaften von Nutzpflanzen nur durch die Übertragung von Genen anderer Arten erzielt werden könnten. Als Beispiele werden u. a. der Golden Rice zur Bekämpfung von Vitamin-A-Mangel und die Erhöhung der Photosynthese-Effizienz angeführt. Thematisiert werden zudem die „gravierenden“ Einschränkungen für Forschung und Anwendung der Grünen Gentechnologie durch die Verhinderung von Feldversuchen, u. a. durch regulatorische Hürden für Feldversuche mit transgenen Pflanzen in Europa, die die Erkenntnisse und das Grundrecht auf Forschungsfreiheit Stephan Clemens zufolge unverhältnismäßig einschränken. Kritisch diskutiert wird das Urteil des EU-Gerichtshofs von 2018, das genomeditierte Pflanzen einer aufwendigen und letztlich innovationshemmenden GVO-Regulierung unterwerfe, die Zufallsmutagenese hingegen nicht. Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer für eine Revision der Regulierung genetisch veränderter Pflanzen in Europa hin zu einer produktbasierten Risikobewertung und der Frage, ob es durch die Genomeditierung einen Neustart in der Regulierung und Wahrnehmung der Grünen Gentechnologie in Europa geben werde.
Der Beitrag diskutiert die Hintergründe und Legitimationen für die restriktive Regulierung, die den Einsatz der Grünen Gentechnik in Europa bis in die Gegenwart blockiert. Die Regulierung wird mit der Vorsorge vor den besonderen Risiken gentechnisch veränderter Organismen begründet. Es gibt jedoch trotz umfangreicher Sicherheitsforschung und nach jahrzehntelangem Anbau außerhalb Europas bis heute weder empirische Anhaltspunkte noch auch nur ein theoretisches Modell dafür, dass gentechnisch veränderte Pflanzen schädlicher oder unsicherer sein könnten als konventionell gezüchtete neue Pflanzen. Gelegentliche alarmierende Befunde, die in der Öffentlichkeit breit diskutiert worden sind, haben sich allesamt bei wissenschaftlicher Überprüfung als nicht einschlägig oder nicht tragfähig erwiesen.
Gleichwohl ist die von den führenden Wissenschaftsorganisationen erhobene Forderung nach einer Entschärfung der Regulierung weder in der Gesellschaft, noch in der Politik auf Resonanz gestoßen. Es gibt ein stabiles Meinungsklima, das der Akzeptanz der Grünen Gentechnik entgegensteht. Dass Pflanzen, die gentechnisch verändert sind eben deshalb ein besonderes Risiko bergen, gilt als ausgemacht.
Die Politik folgt eher der Risikowahrnehmung in der Bevölkerung als der Risikoprüfung in der Wissenschaft. Und sie hat dafür in Deutschland höchstrichterliche Billigung bekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat die restriktive Regulierung unter Verweis auf den Widerstand in der Bevölkerung mit dem Vorsorgeprinzip gerechtfertigt.
Die gesellschaftliche und politische Blockade der Grünen Gentechnik ist eine Abkehr vom liberalen Innovationsregime: Neue Technik wird nicht zugelassen, weil sie mehrheitlich nicht gewollt ist. Das kann man als Demokratiegewinn verbuchen. Aber es hat erhebliche Kosten: Man gewinnt nichts für den Schutz der menschlichen Gesundheit und die Integrität der Umwelt und verbaut sich den Zugang zu technischen Optionen, die dazu beitragen könnten, die etablierte Landwirtschaft produktiver und zugleich ökologisch nachhaltiger zu machen. Ob Europa angesichts der neueren gentechnischen Methoden und Potenziale von der Blockade der Grünen Gentechnik abrücken kann, bleibt abzuwarten.
Mit dem Kapitel "Themenbereich grüne Gentechnologie: Pflanzenzüchtung und Agrarwirtschaft" im "Dritten Gentechnologiebericht" wird ein umfassendes Monitoring zu den aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet der grünen Gentechnologie vorgelegt. Das Indikatoren-basierte Vorgehen, das in den letzten Jahren etabliert wurde, wird dabei fortgeführt. Zu den aufgegriffenen Themen gehören GV-Pflanzen in Forschung und Anwendung, Neue Züchtungsmethoden, wichtige Hilfstechnologien, sowie praktische Anwendungen und Züchtungsziele. Problemfelder und Indikatoren zur grünen Gentechnologie runden den Bericht ab.