Refine
Year of publication
Document Type
- Book (7)
- Article (6)
- Working Paper (4)
- Part of a Book (3)
- Preprint (2)
- Conference Proceeding (1)
- Lecture (1)
- Other (1)
Language
- German (25) (remove)
Keywords
- Bewusstsein (9)
- Religion (6)
- Evolution (5)
- consciousness (5)
- Eriugena (4)
- Neurobiologie (4)
- Wissenschaft (4)
- science (4)
- Apokatastasis (3)
- Gehirn (3)
Has Fulltext
- yes (25)
Institute
- Veröffentlichungen von Akademiemitgliedern (25) (remove)
Der Artikel verweist auf die eindrucksvollen Beiträge moderner bewusstseinsnaher Hirnforschung zum Verständnis höherer Leistungen und Fähigkeiten des menschlichen Gehirns, geht dann aber auf Gründe für prinzipielle Grenzen einer naturwissenschaftlichen Erklärung unseres Bewusstseins ein. Insbesondere stehen entscheidungstheoretische Gründe vermutlich einer vollständigen Dekodierung der Gehirn-Geist-Beziehung entgegen, zumal hinsichtlich selbstbezogener Aspekte. Dies impliziert unter anderem, dass dem Einstieg in fremdes Bewusstsein Grenzen gesetzt sind, was die Gedanken, das Wissen und den Willen Anderer angeht - und doch gibt es oft zu wenig Bescheidenheit und Zurückhaltung im Urteil über angeblich genau bekannte fremde Motive.
Der Vortrag über den im Titel „Naturwissenschaft und Menschenbild“ umschriebenen Problemkreis, der natur- und kulturwissenschaftliche Aspekte betrifft, bildete den Abschluss des Symposiums über das Thema „Wie entstehen neue Qualitäten in komplexen Systemen“ am 18. Dezember 1998 in Berlin zum 50-jährigen Gründungsjubiläum der Max-Planck-Gesellschaft. Schwerpunkte sind Reichweite und Grenzen naturwissenschaftlicher Erklärung von Bewusstsein, evolutionsbiologische Grundlagen von Kooperativität und Empathie, sowie die kulturellen Verallgemeinerungs- und Gestaltungsmöglichkeiten biologisch angelegter Fähigkeiten, insbesondere was die Aktivierung der fragilen und begrenzten, aber durchaus realen und wichtigen Ressource „Gemeinsinn“ angeht.
Die Anwendung der Naturgesetze auf das verhaltenslenkende Gehirn widerspricht auf den ersten Blick der Freiheit des menschlichen Willens. Entsprechendes gilt für die Anwendung der Allmacht Gottes auf alle Vorgänge einschliesslich des menschlichen Verhaltens. Bei einem zweiten Blick auf diese scheinbar so konsequenten Gedankengänge erkennt man aber Verstrickungen in Selbstbezüglichkeiten, die jeweils Mehrdeutigkeiten und Grenzen unseres möglichen Wissens implizieren. Diese zeigten sich schon in Gödels Grenzen mathematisch-logischer Entscheidbarkeit ebenso wie in Heisenbergs Unbestimmtheitsgesetzen der Quantenphysik. Entsprechende Grenzen könnte es für eine vollständige physikalisch begründete Theorie unseres Bewußtseins und damit auch des menschlichen Willens geben - schliesslich würde sie Bewußtsein von Bewußtsein implizieren. In der theologischen Gedankenlinie wiederum kann sich die Allmacht Gottes auch auf die Allmacht selbst richten, indem sie eine weise naturgesetzliche Ordnung ohne ständige göttliche Eingriffe begr ündet und darin den Menschen als Freien will - so etwa sahen es freiheitsfreundliche unter den Theologen wie Eriugena und Cusanus. Mein Essay weist darauf hin, dass selbst bei so verschiedenen Denkweisen wie den naturwissenschaftlichen und theologischen jeweils analoge Selbstbezüglichkeiten auftreten, die unsere Erkenntnis begrenzen.
Unsere Kulturfähigkeit ist ein Ergebnis der biologischen Evolution der Spezies “Mensch”; die einzelne Kultur selbst jedoch ist ein Produkt gesellschaftlicher Entwicklungen, Differenzierungen und Traditionen. Der Kulturvergleich zeigt uns erhebliche Spielräume für Ausprägungen von Gemeinsinn. Da dessen Aktivierung wesentlich zur Lebensqualität einer Gesellschaft beiträgt, sind Versuche einer realistischen Einschätzung kultureller Gestaltungsspielräume in dieser Hinsicht sinnvoll. Sie sind nicht zuletzt durch die biologischen Grund- und Randbedingungen der Spezies Mensch gegeben und begrenzt, zumal hinsichtlich von Anlagen zu altruistischem und kooperativem Verhalten. Während bis vor kurzem Soziobiologen und Sozialwissenschaftler oft wenig Neigung zu gegenseitigem Verständnis zeigten, zumal manche Biologen relativ extreme Theorien über genetisch angelegte egoistische Verhaltensanlagen vertraten, verstehen sich neuere, durch die Spieltheorie beeinflusste und sehr allgemeine psychische Disposition betonende Linien soziobiologischen Denkens dazu, auch ausgesprochen freundliche Eigenschaften unserer Spezies zu erklären und zu begründen. Sie kommen sozialwissenschaftlichen Bestrebungen entgegen, zum Beispiel in Zusammenhang mit Theorien begrenzt rationalen Verhaltens, in denen die Fairness eine wesentliche Rolle spielt. Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusammenhang die biologisch angelegte Fähigkeit zu kognitionsgestützter Empathie sowie die fragile Anlage “Vertrauensbereitschaft”, von denen die Effizienz und das Wohlbefinden in einer Gesellschaft wesentlich abhängen. Insgesamt kann eine - keineswegs unkritische - Beachtung evolutionsbiologischer Aspekte menschlicher Verhaltensdispositionen zu einer realistischen Einschätzung der knappen Ressource “Gemeinsinn” beitragen. Sie ist in Grenzen durchaus ein auch in der Natur des Menschen angelegtes Potential. Dies ist jedoch - unter Beachtung eben dieser Grenzen - behutsam zu aktivieren. Moralische Überforderungen, welche die natürlichen Anlagen des Menschen missachten, sind kontraproduktiv.
In diesem Buch zeigt der Physiker und Biologe Alfred Gierer - er ist Direktor am Max-Planck- Institut für Entwicklungsbiologie - die Reichweite, aber auch die prinzipiellen Grenzen naturwissenschaftlichen Denkens auf. Beides wird nirgends so deutlich wie im Verhältnis der Biologie zur Physik: Hier stellen sich die Fragen, was Leben ist, wie es entstand und sich bis zur Höhe des Menschen entwickelte, wie der Reichtum der Formen zu verstehen ist und in welcher Beziehung das Bewußtsein, die “Seele”, zu einem wissenschaftlichen Verständnis der Lebensvorgänge steht. “Die Physik, das Leben und die Seele” informiert über diese wichtigen Zusammenhänge in allgemeinverständlicher Form und regt in besonderem Maße die Freude am kritischen Mitdenken an. Das Buch schlägt einen weiten Bogen von der Grundlagen der Physik und Logik über die neuen Erkenntnisse der Biologie bis zu der Frage, was uns die Naturwissenschaften über den Menschen und sein Bewußtsein lehren können - und was nicht.